Ein unschlagbarer Vorteil der Blockrandbebauung sind die entstehenden Straßenecken. „Nur kurz um die Ecke“ ist sprichwörtlich für eine schnelle Besorgung. Man geht zur Reinigung um die Ecke oder zum Kopiergeschäft, zum Friseur, zum Bäcker und so fort. Auch für Taxler ist die Bezeichnung „Türckenstraße, Ecke Adalbertstraße“ eine hinreichend präzise Zielbeschreibung. 

Diese Ecken entstehen nicht bei einer Zeilenbebauung, weil die Häuserzeile senkrecht zu einer Straße steht. Sie sitzen mit der Schulter zum Gast. Oft haben die Giebelseiten nicht einmal richtige Fenster; dafür aber eine Faserzement-Plattenverkleidung. Ist die Straße viel befahren, dringt der Lärm zwischen die Häuserzeilen und gibt sich das Echo. Wer zu Besuch kommt, muss erst einmal den Feuerwehrplan studieren, um zu erkennen, dass Hausnummer 58b) das Mittelhaus in der dritten Zeile ist. Der Weg zur Haustür ist weder öffentlich noch privat, dafür ist er vom Verkehrslärm einer Straße begleitet, die irgendetwas mit „Ring“ heißt. Ich habe in den letzten Jahren so viele Ebay-Kleinanzeigen abgeholt, dass ich jedermann den Selbstversuch empfehle.

Wie einfach ist dagegen die Orientierung im Blockrand! Jede Straße hat einen Namen, die Nummernschilder gehen aufwärts oder abwärts, die geraden Zahlen sind auf der einen Seite, die ungeraden auf der anderen. Gegebenenfalls gibt es noch ein Rückgebäude, was sich am Klingelschild logisch ablesen lässt. Feuerwehreinsatzpläne sind hier für Passanten keine relevante Informationsquelle.

Die Straßenecken spenden Orientierung und sorgen für Spannung im Stadtbild. Urbane Freihandzeichner wählen daher eher die Perspektive über Eck zum Motiv, nicht die Frontalansicht. Das Flat-Iron-Building in New York wird zum Beispiel immer über Eck fotografiert, nicht im Profil. Gleiches gilt für das Chile-Haus in Hamburg. Auch die Elbphilharmonie baut Spannung auf, weil sie einen keilförmigen Grundriss hat und an der Spitze den höchsten Punkt. 

Deshalb sollte die Ecke auch an jeder Kreuzung besetzt sein. Dort sollte keine Lücke verbleiben, es sei denn es geht in einen Park. Schlimm wenn dort ein Parkplatz oder Garagen stehen. Welch vertane Chance! Da die Ecken von weithin gesehen werden, vertragen sie auch mehr Höhe. Die Überhöhung reizt auch die Perspektive aus und bringt die Baumasse ins Pyramidale. Es ist wie beim Puzzeln. Erst macht man die Ecken, dann die Ränder, der Rest ergibt sich nach und nach. 

Wie wichtig Ecken sind, sehen wir am Stadtplan von New York. Die Straßennamen kennen auch diejenigen unter uns, die nie da waren – allein schon vom Film her. Beispiel für drei Sehenswürdigkeiten: 

Das Flat-Iron liegt an Ecke 5th Avenue & Broadway. 

Das Empire-State-Building liegt an Ecke 5th Avenue & 34th Street. 

Die Grand Central Station liegt an Ecke 42nd Street & Park Avenue.

Auch in Paris sind die Ecken etwas Besonderes: Fast jedes Eckhaus hat ein Café oder Bistro im Erdgeschoß. Typisch sind hier dir roten Markisen, die zusätzlich für Anziehungskraft sorgen. Die Cafés von Paris sind zu einer Marke geworden. Sogar eine Gewürzmischung nennt sich so. Sie besteht unter anderem aus Knoblauch, Kurkuma, Paprika, Koriander, Zucker, Kreuzkümmel und Kardamon. Mit Crème fraîche aufgerührt, ist sie eine prima Partysauce. Sie hat leichte Säure, leichte Süße, ätherische Öle und eine schöne gelbe Farbe. 

Liebe Leserinnen und Leser,

heute veröffentliche ich meinen Aufsatz „Urbane Dichte durch Blockrandbebauung“, der zu diesem Thema passt. Wer das ganze mit Zahlen hinterlegt lesen will: 

https://www.architekt-kraus.de/wp-content/uploads/Urbane-Dichte-durch-Blockrandbebauung-2021-02-26.pdf

 

Zuerst veröffentlicht auf Facebook am 28.02.2021